Die Rechtswidrigkeit ist ein zentrales Element im Strafrecht und bezeichnet die Verletzung geltender Gesetze durch eine Handlung. Sie bildet einen der grundlegenden Bestandteile der Straftatbestände und stellt neben der Tatbestandsmäßigkeit und der Schuld eine der drei wesentlichen Voraussetzungen dar, um ein Verhalten als strafbar zu qualifizieren. Während die Tatbestandsmäßigkeit darauf abzielt, ob eine Handlung objektiv unter die gesetzlichen Vorschriften fällt, beschäftigt sich die Rechtswidrigkeit damit, ob es Rechtfertigungsgründe gibt, die das an sich unerlaubte Verhalten dennoch erlauben könnten.
Ein Verhalten wird grundsätzlich als rechtswidrig angesehen, wenn es einen gesetzlichen Tatbestand erfüllt, ohne dass ein Rechtfertigungsgrund vorliegt. Der Maßstab für die Bewertung der Rechtswidrigkeit ist das geltende Recht. Dabei ist zu beachten, dass eine Tat, die alle Tatbestandsmerkmale eines Straftatbestands erfüllt, nicht automatisch als strafbar gilt, sofern ein Rechtfertigungsgrund wie Notwehr oder Notstand vorliegt. Diese rechtlichen Normen erlauben es in bestimmten Situationen, ansonsten strafbare Handlungen auszuführen, ohne dass eine Bestrafung erfolgt.
Rechtswidrigkeit im Strafrecht und Tatbestandsmäßigkeit
Die Rechtswidrigkeit setzt zunächst die Tatbestandsmäßigkeit einer Handlung voraus. Das bedeutet, die Handlung muss objektiv betrachtet unter den im Gesetz beschriebenen Straftatbestand fallen. Ein Beispiel hierfür ist der Diebstahl nach § 242 des Strafgesetzbuchs (StGB). Um als Diebstahl zu gelten, müssen die Merkmale des Diebstahls erfüllt sein, etwa die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache. Nur wenn diese Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sind, kann die Frage der Rechtswidrigkeit und damit die Strafbarkeit der Handlung geprüft werden.
Die Tatbestandsmäßigkeit allein reicht jedoch nicht aus, um eine Handlung als rechtswidrig einzustufen. Erst wenn zusätzlich kein Rechtfertigungsgrund vorliegt, wird die Handlung als rechtswidrig angesehen. Im Falle eines Diebstahls könnte etwa ein Rechtfertigungsgrund darin bestehen, dass die Wegnahme in einer Notsituation erfolgt, um eine unmittelbar drohende Gefahr abzuwenden. In einem solchen Fall wäre die Handlung zwar tatbestandsmäßig, aber nicht rechtswidrig, und somit auch nicht strafbar.
Rechtfertigungsgrund und seine formelle Rolle
Rechtfertigungsgründe spielen eine zentrale Rolle bei der Bewertung der Rechtswidrigkeit. Sie erlauben es, an sich tatbestandsmäßige und unerlaubte Handlungen unter bestimmten Umständen als rechtmäßig einzustufen. Die bekanntesten Rechtfertigungsgründe sind die Notwehr (§ 32 StGB) und der rechtfertigende Notstand (§ 34 StGB). Notwehr erlaubt es, sich gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff auf eigene oder fremde Rechtsgüter zu verteidigen, ohne strafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. In diesem Fall ist die Handlung zwar tatbestandsmäßig, jedoch nicht rechtswidrig, da sie durch den Rechtfertigungsgrund der Notwehr gedeckt ist.
Ein weiterer wichtiger Teil des Rechtfertigungsgrundes ist der rechtfertigende Notstand. Dieser liegt vor, wenn eine Handlung vorgenommen wird, um eine gegenwärtige Gefahr von sich oder anderen abzuwenden und dabei ein höherwertiges Rechtsgut geschützt wird. Ein Beispiel wäre das unbefugte Betreten eines fremden Grundstücks, um eine Person in Lebensgefahr zu retten. Obwohl diese Handlung objektiv betrachtet einen Hausfriedensbruch darstellen würde, ist sie durch den rechtfertigenden Notstand gerechtfertigt und somit nicht rechtswidrig.
Neben diesen gesetzlichen Rechtfertigungsgründen können auch Einwilligungen eine Rolle spielen. Wenn eine Person freiwillig in eine Handlung einwilligt, entfällt die Rechtswidrigkeit, sofern die Einwilligung wirksam und rechtskonform ist. Ein typisches Beispiel ist die medizinische Behandlung, bei der der Patient in den Eingriff einwilligt. Ohne diese Einwilligung würde die Behandlung als Körperverletzung gelten. Die Einwilligung macht die Handlung jedoch rechtmäßig und hebt die Rechtswidrigkeit auf.
Rechtswidrigkeit im Kontext von Täter und Schuld
Die Rechtswidrigkeit ist nicht mit der Schuld gleichzusetzen, obwohl beide Begriffe eng miteinander verbunden sind. Während die Rechtswidrigkeit das objektive Element darstellt, ob eine Handlung gegen das Gesetz verstößt, bezieht sich die Schuld auf die persönliche Vorwerfbarkeit des Täters. Ein Täter handelt schuldhaft, wenn er zum Zeitpunkt der Tat die Fähigkeit besitzt, das Unrecht seiner Handlung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Ein Beispiel ist der Zustand der Schuldunfähigkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung.
Die Prüfung der Rechtswidrigkeit erfolgt grundsätzlich vor der Schuldfeststellung. Selbst wenn eine Handlung objektiv gegen das Gesetz verstößt und keinen Rechtfertigungsgrund hat, kann die Tat im konkreten Fall letztlich straffrei bleiben, wenn dem Täter keine Schuld für eine Straftat vorzuwerfen ist. Diese Reihenfolge der Prüfung unterstreicht die Bedeutung der Rechtswidrigkeit im Strafrecht. Nur wenn eine Handlung tatbestandsmäßig und rechtswidrig ist, wird die Schuldfrage gestellt.
Praktische Relevanz der Rechtswidrigkeit im Verwaltungsrecht, Zivilrecht und Strafrecht allgemein
In der juristischen Praxis ist die Rechtswidrigkeit ein wichtiger Prüfungsmaßstab. Insbesondere im Strafrecht sind die Grenzen zwischen rechtmäßigem und rechtswidrigem Verhalten oft fließend, und die Klärung der Rechtswidrigkeit entscheidet über die Strafbarkeit einer Handlung. Anwälte, Richter und Staatsanwälte müssen in jedem Fall sorgfältig prüfen, ob ein Grund für Rechtfertigung vorliegt, bevor sie zu einer Entscheidung kommen.
Die Rechtswidrigkeit hat zudem eine gesellschaftliche Funktion, indem sie klare Leitlinien für rechtliches und unrechtmäßiges Verhalten schafft. Sie stellt sicher, dass das Recht nicht nur starr angewendet wird, sondern Raum für individuelle Umstände und gerechtfertigtes Handeln lässt.